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22.07.25 | Kultur Hausgrundrisse, Kleingeld und jede Menge Bronze

Fast 1.900 Jahre alte Siedlung in Bielefeld-Sieker entdeckt

Bereits in den ersten Suchschnitten zeichnen sich die Pfostenreihen ehemaliger Hausgrundrisse ab.<br>Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Sven Spiong

Bereits in den ersten Suchschnitten zeichnen sich die Pfostenreihen ehemaliger Hausgrundrisse ab.
Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Sven Spiong
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Bielefeld (lwl). Im Vorfeld eines Schulneubaus haben Fachleute eines Grabungsteams in Bielefeld-Sieker mehrere fast 1.900 Jahre alte Hausgrundrisse einer ausgedehnten Siedlung des 2. bis 5. Jahrhunderts entdeckt. Die Häuser waren Teil der größten Siedlung der Römischen Kaiserzeit in Westfalen.

Funde aus Bronze
Der Fund einer römischen Kleingeldmünze, ein sogenannter As aus Bronze, erlaubt die Datierung auf die Mitte des 2. Jahrhunderts. Der Griff einer Bronzekanne und der Anhänger eines bronzenen Pferdegeschirrs mit einem Pferdekopf stellen nach Angaben eines Experten vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) "exotische Importstücke" aus dem Römischen Reich dar, die nicht wie üblich eingeschmolzen wurden.

Die Häuser von sechs bis acht Metern Breite und teilweise über 30 Metern Länge hatten ein Gerüst aus mächtigen Holzpfosten. Deren Spuren zeichnen sich westlich des Mühlenbaches auch heute noch deutlich in der Fläche unter dem Oberboden ab.

Frühere Befunde östlich des Mühlenbaches
Die Überreste der Häuser, die nun erforscht werden, sind Teil der größten Siedlung der Römischen Kaiserzeit in Westfalen. Schon vor gut 40 Jahren stießen Archäolog:innen östlich des Mühlenbaches auf die Spuren von 25 größeren Holzhäusern aus der Römerzeit, von weiteren Speichern und kellerartigen kleinen Nebengebäuden. Auch wenn die Häuser während der etwa 400 Jahre bestehenden Siedlung östlich des Mühlenbaches nicht gleichzeitig bestanden, fällt die Siedlung aus dem Rahmen der sonst üblichen kleinen Weiler und Einzelgehöfte.

Größer als gedacht
Mit den neu entdeckten Siedlungsbereichen westlich des Baches zeigt sich nun auf knapp zwölf Hektar Größe eine Siedlung mit einer für die damalige Zeit enormen Ausdehnung von 320 mal 370 Metern. Während sich in den Kernbereichen der Siedlung in unmittelbarer Bachnähe viele Hausgrundrisse überschneiden und damit zumindest für einen Großteil der Siedlungsdauer bebaut waren, liegen in den westlichen und südlichen Randbereichen Hausbauten in Arealen, die nicht länger als etwa 50 Jahre bewohnt waren. Die nun anstehende Untersuchung westlich des Mühlenbaches und die Auswertung der Grabungen der Jahre 1981 bis 1986 wird zeigen, wie sich die Siedlung in ihrer Ausdehnung und Struktur im Laufe ihres Bestehens verändert hat.

Kleingeld, Altmetall und geschätzte Einzelstücke
Hilfreich sind dabei auch zu erwartende Münzfunde, wie jüngst eine römische bronzene Kleingeldmünze ("As") aus der Mitte des 2. Jahrhunderts, die relativ genaue Daten liefern. Sebastian Düvel, wissenschaftlicher Referent bei der Außenstelle Bielefeld der LWL-Archäologie für Westfalen: "Auffällig ist der hohe Anteil an römischen Importfunden, die zeigen, dass intensive Kontakte jenseits des Limes auch lange nach dem gescheiterten Eroberungsversuch der Römer bestanden." So stellten der Griff einer Bronzekanne und der Anhänger eines bronzenen Pferdegeschirrs mit einem plastischen Pferdekopf neu gefundene "exotische Importstücke" dar. Während ein Großteil der römischen Bronzeobjekte wahrscheinlich als Rohmaterial von den einheimischen Siedlern am Mühlenbach verwendet wurde, bekamen Einzelstücke wie der kleine Pferdekopf wahrscheinlich eine größere Wertschätzung und haben sich deshalb auch erhalten.

Die LWL-Archäologie für Westfalen ist bei dem Projekt in enger Abstimmung mit der Stadt als Bauherr. "Ziel der intensiven Kommunikation zwischen Bauherr und Bodendenkmalpflege ist, möglichst viele der vorhandenen Bodendenkmäler vor Ort zu erhalten", meint Dr. Sven Spiong, Leiter der Außenstelle Bielefeld der LWL-Archäologie für Westfalen. Die Dokumentationsarbeiten des Grabungsteams beschränken sich auf die archäologischen Befunde, die für den Neubau weichen müssen. "Einerseits soll so viel wie möglich vom Bodendenkmal erhalten bleiben, andererseits sollen die Kosten für die Ausgrabung soweit wie möglich reduziert werden", so Spiong weiter.

Öffentliche Führungen für Interessierte
Um die interessierte Öffentlichkeit über den Fortgang der Grabungen und die neuesten Ergebnisse zu informieren, bietet bietet der LWL ab September jeweils mittwochs um 17 Uhr kostenlose öffentliche Führungen an. Treffpunkt ist der kleine Parkplatz an der Oldentruper Straße westlich des Mühlenbaches.


LWL-Einrichtung:
LWL-Archäologie für Westfalen
Außenstelle Bielefeld
Am Stadtholz 24 a
33609 Bielefeld

Lebensbild zweier Hofstellen am Mühlenbach. Im Vordergrund sind die Hügel des nahegelegenen Gräberfeldes zu sehen. Nach aktuellem Forschungsstand war die Siedlung deutlich größer und dichter bebaut.<br>Zeichnung: LWL-Archäologie für Westfalen/Günther Riedel

Lebensbild zweier Hofstellen am Mühlenbach. Im Vordergrund sind die Hügel des nahegelegenen Gräberfeldes zu sehen. Nach aktuellem Forschungsstand war die Siedlung deutlich größer und dichter bebaut.
Zeichnung: LWL-Archäologie für Westfalen/Günther Riedel

Vorder- und Rückseite einer Römischen Münze der Mitte des 2. Jahrhunderts aus Bronze. Diese Münze aus der Anfangszeit der Siedlung ließ einer der römischen Kaiser prägen.<br>Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Arne Koch

Vorder- und Rückseite einer Römischen Münze der Mitte des 2. Jahrhunderts aus Bronze. Diese Münze aus der Anfangszeit der Siedlung ließ einer der römischen Kaiser prägen.
Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Arne Koch

Vorder- und Rückseite einer Römischen Münze der Mitte des 2. Jahrhunderts aus Bronze. Diese Münze aus der Anfangszeit der Siedlung ließ einer der römischen Kaiser prägen.<br>Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Arne Koch

Vorder- und Rückseite einer Römischen Münze der Mitte des 2. Jahrhunderts aus Bronze. Diese Münze aus der Anfangszeit der Siedlung ließ einer der römischen Kaiser prägen.
Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Arne Koch

Beschlag vom Pferdegeschirr. Dieses Bronzeobjekt aus dem Römischen Reich entging dem Wiedereinschmelzen durch einheimische Siedler in Bielefeld.<br>Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Arne Koch

Beschlag vom Pferdegeschirr. Dieses Bronzeobjekt aus dem Römischen Reich entging dem Wiedereinschmelzen durch einheimische Siedler in Bielefeld.
Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Arne Koch

Griff einer römischen Bronzekanne. Bronze aus dem römischen Reich spielte vor allem als Altmetall eine wichtige Rolle jenseits des Limes - so auch in der Siedlung am Mühlenbach in Bielefeld-Sieker.<br>Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Sebastian Pechthold

Griff einer römischen Bronzekanne. Bronze aus dem römischen Reich spielte vor allem als Altmetall eine wichtige Rolle jenseits des Limes - so auch in der Siedlung am Mühlenbach in Bielefeld-Sieker.
Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Sebastian Pechthold

Pressekontakt

Frank Tafertshofer, Tel.: 0251 591-235 und Dr. Julia Großekathöfer, Tel.: 0251 591-8907

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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit mehr als 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 20 Krankenhäuser, 18 Museen, zwei Besucherzentren und ist einer der größten Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.

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