17.07.25 | Kultur Vom Hof zum Schloss
LWL veröffentlicht Forschungsergebnisse zu Haus Horst in Gelsenkirchen
Ansicht des Schlosses Horst von Norden, 1842. Öl auf Leinwand, Adolf Hönninghaus.
Foto: LWL/R. Klostermann
Haus Horst war im Laufe seiner mehrere hundert Jahre währenden Geschichte etlichen Widrigkeiten ausgesetzt, die von Konflikten durch wechselnde Herrschaftsinteressen bis hin zu mehrfachen Zerstörungen durch Brände reichten. Die Geschichte dieses Ortes lässt sich weit in die Vergangenheit zurückverfolgen, deutlich weiter als es die Schriftquellen erlauben.
Es stellte sich heraus, dass nach einer Hofstelle aus dem 12. Jahrhundert auf diesem Platz eine Motte, also eine Turmhügelburg, stand, die von einer Wasserburg abgelöst wurde, die wiederum schließlich dem Renaissanceschloss wich. Diese ungewöhnlich komplexe Entwicklung wird jetzt in den neuen Publikationen in der Reihe "Denkmalpflege und Forschung in Westfalen" vorgestellt. "Ich freue mich sehr, dass mit den vorliegenden Bänden ein großes Projekt einen erfolgreichen Abschluss gefunden hat", sagt LWL-Chefarchäologe Prof. Dr. Michael Rind. "Dieser wichtige Fundplatz ist in einem Atemzug mit Stätten wie der Paderborner Pfalz oder der Münsteraner Domburg zu nennen", so der Direktor der LWL-Archäologie für Westfalen und Herausgeber der Publikationen weiter.
Band 1 - Befunde und Fundmaterialien
In Band 1 mit den "Befunden und Fundmaterialien" haben die Autor:innen Dr. Andreas Haasis-Berner, Dr. Cornelia Kneppe, Dr. Hans-Werner Peine und Prof. Dr. Ralph Röber für diese bauliche Entwicklung sechs Phasen herausgearbeitet. Ihren Höhepunkt fand die Entwicklung mit der Errichtung eines Schlosses, einer Vierflügelanlage mit vier vorspringenden Ecktürmen. Baumeister war von 1558 bis 1567 Arnt Johannsen, Stadtbaumeister aus Arnheim. So lassen sich enge stilistische Bezüge in die Niederlande zum Beispiel durch den Fassadendekor im Stil des niederländischen Manierismus erkennen.
Band 2 - Kirche und Kirchhof
In Band 2 stehen der Kirchhof und die Burgkapelle im Fokus, zu der weder bildliche noch kartografische Quellen überliefert sind. Anhand der Ausgrabungsergebnisse konnte der inzwischen verstorbene Autor Dr. Alfred Pohlmann ihre Entwicklung von einer Holzkirche im 12. Jahrhundert bis zu ihrem Abriss 1753/1754 rekonstruieren. Demnach stand sie inmitten der Vorburg als freistehender Solitär - ein Bautyp, der in Westfalen ebenso selten vorkommt wie das Patrozinium (Schutzherrschaft eines Heiligen über eine Kirche, ein Bistum oder eine Gemeinde) des heiligen Hippolytus.
Material für einen direkten Vergleich bietet ein Katalog mit allen mittelalterlichen Burgkirchen, Burgkapellen und Pfalzkapellen in Westfalen. Mehr als 18 Generationen bestatteten auf dem Friedhof rund um die Burgkapelle 460 Verstorbene, deren Skelette von der Anthropologin Babette Wiedmann untersucht wurden. Diese Untersuchungen runden den Band ab.
Das Projekt - eine Mammutaufgabe
Heute ist die Schlossanlage nur noch in Teilen erhalten. Finanzielle Nöte, die aus dem Unterhalt der großen Schlossanlage resultierten, sorgten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts für einen Tiefpunkt. Etliche Gebäudeteile waren eingestürzt oder mussten abgebrochen werden. Die Vorburg ging in der prosperierenden Bergbausiedlung auf. Die Gräften waren nach der Verlegung der Emscher trockengefallen und wurden verfüllt. Der Torturm wurde abgetragen. Die Kirche war bereits 1754 verlegt worden.
Durch das Engagement des Fördervereins und der Stadt Gelsenkirchen sind die Reste der Anlage erhalten blieben und heute für eine breite Öffentlichkeit zugänglich. Die großen Umbaumaßnahmen zu dem heutigen Ensemble mit der aktuellen Nutzung als Kulturzentrum, Museum, Bürgerzentrum und Stadtteilbibliothek begannen 1988, als die Stadt Gelsenkirchen das Schloss kaufte. Im Zuge der umfangreichen Sanierung leitete Prof. Dr. Ralph Röber ab 1990 archäologische Untersuchungen, die seit Mitte 1991 von Dr. Hans-Werner Peine weitergeführt wurden und bis 2005 liefen. Im Jahr 2010 wurden noch einmal zwei Schnitte im Bereich der Vorburg angelegt.
Das Projekt hat die LWL-Archäologie für Westfalen knapp 35 Jahre begleitet. "Die Auswertung einer gut 15 Jahre dauernden archäologischen Untersuchung ist eine eigene Mammutaufgabe, weshalb viel Zeit vergangen ist vom Ende der Ausgrabungen 2010 bis zur Veröffentlichung dieser beiden letzten Bände der insgesamt fünfbändigen Reihe", so Rind.
Bereits 2009 ist Band 3 "Die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Öfen" erschienen, Band 4 "Tierknochen aus acht Jahrhunderten" 2010 und Band 5 "Rechnungsbücher und Tonpfeifen" 2014. Die älteren Bände sind derzeit nur gedruckt beim Verlag Beier & Beran erhältlich. Die beiden neuen Bände gibt es gedruckt beim Michael Imhof Verlag und auch online im Open Access.
Forschungen zu Haus Horst in Gelsenkirchen. Befunde und Fundmaterialien
Andreas Haasis-Berner, Cornelia Kneppe, Hans-Werner Peine und Ralph Röber
Denkmalpflege und Forschung in Westfalen Band 49.1
Michael Imhof Verlag
Petersberg 2025
520 Seiten, 217 Abbildungen, 107 Tafeln, 6 Beilagen
ISBN 978-3-7319-1502-7 (Hardcover)
ISBN 978-3-96929-396-6 (Online)
https://doi.org/10.11588/propylaeum.1534
49,95 €
Forschungen zu Haus Horst in Gelsenkirchen. Kirche und Kirchhof
Alfred Pohlmann, Babette Wiedmann
Denkmalpflege und Forschung in Westfalen Band 49.2
Michael Imhof Verlag
Petersberg 2025
428 Seiten, zahlreiche Abbildungen
ISBN 978-3-7319-1503-4 (Hardcover)
ISBN 978-3-96929-397-3 (Online)
https://doi.org/10.11588/propylaeum.1535
49,95 €
Erhältlich über jede Buchhandlung und im Onlineshop[LWL1] des Verlages.
Die älteren Bände sind für jeweils 15 Euro im Onlineshop von Beier & Beran[JS2] erhältlich:
Forschungen zu Haus Horst in Gelsenkirchen.
Band 3 "Die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Öfen" von Julia Hallenkamp-Lumpe (2009)
Band 4 "Tierknochen aus acht Jahrhunderten" von Monika Doll (2010)
Band 5 "Rechnungsbücher und Tonpfeifen" von Carl Heinrich Lueg und Stefan Leenen (2014)
Blick vom Südturm auf die Grabung im Schlossinnenhof, links im Bild der statisch gesicherte Nordwestflügel des Schlosses.
Foto: LWL/R. Klostermann
Zwei Kinder in den "Ausgrabungen und archäologischen Werkstätten" im Untergeschoss des Schlosses.
Foto: LWL/R. Klostermann
Cover der Publikation, Band 1.
Grafik: LWL/K. Ballerstaedt
Cover der Publikation, Band 2.
Grafik: LWL/K. Ballerstaedt
Pressekontakt
Frank Tafertshofer, Tel.: 0251 591-235 und Dr. Julia Großekathöfer, Tel.: 0251 591-8907
Der LWL im Überblick
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit mehr als 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 20 Krankenhäuser, 18 Museen, zwei Besucherzentren und ist einer der größten Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
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