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11.06.25 | Jugend und Schule Gemeinsam stark für besonders herausfordernde Kinder mit Behinderung

Betreuung, Schutz und Teilhabe gelingen nur im Schulterschluss von Jugend- und Eingliederungshilfe

Andreas Walter vom Hochsauerlandkreis bei der vierten AG-Sitzung.<br>Foto: LWL/Heckhuis

Andreas Walter vom Hochsauerlandkreis bei der vierten AG-Sitzung.
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Westfalen (lwl). Für Kinder und Jugendliche mit Behinderung und herausforderndem Verhalten, die nicht mehr in ihrer Herkunftsfamilie oder in einer Pflegefamilie leben können, ist die Versorgungssituation häufig schwierig. Viele von ihnen mussten bereits mehrfach die Einrichtung wechseln - oft aufgrund von einzelnen eskalierenden Situationen wie fremd- oder selbstgefährdendem Verhalten. Die Landschaftsverbände Westfalen-Lippe (LWL) und Rheinland (LVR) nehmen dieses Thema gezielt in den Blick und haben die beratende Arbeitsgruppe zum Thema "herausforderndes Verhalten und Gewaltschutz in Wohneinrichtungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderung" ins Leben gerufen. Ziel der AG ist es, notwendige Rahmenbedingungen zu analysieren und darauf aufbauend Empfehlungen zu Verbesserung der Situation zu formulieren.

Dabei ist die AG mit Expertinnen und Experten aus ganz unterschiedlichen Bereichen bewusst fachlich breit aufgestellt, um einen ganzheitlichen Ansatz sicherzustellen. Vertreten sind die Bereiche Wissenschaft, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Justiz, kommunale Spitzenverbände, Freie Wohlfahrtspflege und Selbsthilfe. Auch das Sozial-, sowie das Kinder- und Jugendministerium in NRW nehmen an der AG teil.

Der thematische Schwerpunkt der vergangenen AG-Sitzung, die jetzt in Münster stattfand, lag im Bereich "Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Eingliederungshilfe". Während die Kinder- und Jugendhilfe für alle jungen Menschen zuständig sind, hat die Eingliederungshilfe die Menschen mit Behinderung im Blick. Hier kommt es auf eine gute Abstimmung untereinander an.

Andreas Walter, Jugendamtsmitarbeiter beim Hochsauerlandkreis, ist Mitglied der AG und gibt im Kurzinterview eine Einschätzung zum Thema aus Sicht der Jugendämter:

Warum ist eine gute Zusammenarbeit zwischen Eingliederungshilfe und Jugendhilfe so wichtig?
Es geht um Kinder mit Behinderungen, die zugleich eine besonders intensive Unterstützung brauchen - nicht nur im Alltag, sondern auch im Verhalten. Sie zeigen Reaktionen, die für Einrichtungen, Fachkräfte und auch das Umfeld herausfordernd sind. Manche von ihnen mussten schon mehrfach die Einrichtung wechseln, weil die vorhandene Hilfe nicht ausgereicht hat oder nicht passgenau war.

Bei Kindern mit Behinderungen treffen hier zwei Hilfesysteme aufeinander: Die Jugendhilfe hilft jungen Menschen in schwierigen Lebenslagen - etwa wenn Schutz oder eine neue Unterbringung notwendig ist. Die Eingliederungshilfe kümmert sich um die speziellen Bedarfe von Menschen mit Behinderung. Doch beide Systeme stoßen bei diesen besonders belasteten Kindern manchmal an ihre Grenzen.

Deshalb ist es so wichtig, dass Jugendhilfe und Eingliederungshilfe eng zusammenarbeiten und über den Tellerrand schauen. Wir müssen nicht zuerst auf Zuständigkeiten oder Paragrafen schauen, sondern auf das, was das Kind wirklich braucht. Kinder mit Behinderung sind besonders schutzbedürftig und brauchen eine Unterstützung, die beides verbindet. Nur wenn alle an einem Strang ziehen, können wir solche Kinder wirklich erreichen und ihnen dauerhaft helfen.

Welche Herausforderungen bestehen aktuell?
Ich möchte das an einem Beispiel deutlich machen, das Jugendämter in ganz Deutschland regelmäßig erleben: Ein Kind oder Jugendlicher zeigt ein sehr herausforderndes Verhalten und hat zusätzlich eine Behinderung - und muss plötzlich in Obhut genommen werden.

Das Jugendamt ist dann gesetzlich verpflichtet, sofort einen geeigneten Ort für die Unterbringung zu finden - und das ist derzeit oft extrem schwierig. Es fehlt an Einrichtungen, die sowohl auf Krisensituationen vorbereitet sind als auch auf die besonderen Bedarfe von Kindern mit Behinderung eingestellt sind. In solchen Momenten zählt jede Stunde, aber passende Plätze sind rar. Die Suche bindet viel Personal und kostet wertvolle Zeit.

Und selbst wenn ein geeigneter Platz gefunden wird, sind die Kosten für solche Unterbringungen oft sehr hoch - auch das bringt die Kommunen finanziell an ihre Grenzen. Deshalb ist klar: Jugendhilfe und Eingliederungshilfe müssen hier gemeinsam handeln. Es braucht mehr inklusive Konzepte und konkrete Angebote, damit Kinder in Notsituationen schnell, sicher und angemessen untergebracht werden können.

Welche positiven Effekte erwarten Sie von einer gelungenen Zusammenarbeit?
Wenn Jugendhilfe und Eingliederungshilfe gut zusammenarbeiten, kann ein echter Gewinn für die Kinder entstehen. Dann schauen nicht alle nur aus ihrer eigenen Perspektive auf das Kind, sondern wir bringen unser Wissen zusammen - aus Pädagogik, Medizin, Psychologie und anderen Bereichen. So kann viel besser erkannt werden, was ein Kind wirklich braucht.

Das Ziel ist: nicht viele Einzelmaßnahmen nebeneinander, sondern eine abgestimmte Hilfe, die genau passt. Wenn alle Beteiligten gemeinsam Verantwortung übernehmen, kann Unterstützung gezielter geplant und zuverlässiger umgesetzt werden. Das schafft Stabilität - für die Kinder und für die Menschen, die sie begleiten.

Die beratende Arbeitsgruppe zum Thema "herausforderndes Verhalten und Gewaltschutz in Wohneinrichtungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderung" mit Expertinnen und Experten aus den Bereichen Wissenschaft, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Justiz, kommunale Spitzenverbände, Freie Wohlfahrtspflege, Selbsthilfe und dem Sozial-, sowie Kinder- und Jugendministerium in NRW.<br>Foto: LWL/Hoffmann

Die beratende Arbeitsgruppe zum Thema "herausforderndes Verhalten und Gewaltschutz in Wohneinrichtungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderung" mit Expertinnen und Experten aus den Bereichen Wissenschaft, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Justiz, kommunale Spitzenverbände, Freie Wohlfahrtspflege, Selbsthilfe und dem Sozial-, sowie Kinder- und Jugendministerium in NRW.
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Pressekontakt

Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235

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